Simon Stampfer (26.10.1790 in Windisch-Matrai, Erzbistum Salzburg, heute Matrei in Osttirol, Tirol-10.11.1864 in Wien).

Stampfer, im höchstgelegenen Weiler auf der alten Tauernroute zwischen Matrei und dem Tauernhaus geboren, war Sohn mittelloser Eltern, die als Weber zur Wanderung gezwungen waren und nur gerade für die Zeit der Geburt bei Verwandten einen Unterschlupf fanden. Im elften Lebensjahr besuchte er erstmals die Schule, wanderte mit 17 Jahren zu Fuß über den Felbertauern nach Salzburg und wird dort mit Auszeichnung seine Studien im Gymnasium ablegen. 1816 wird Stampfer als Supplent, also Hilfslehrer, für die Fächer Elementarmathematik und Physik am Lyceum eingestellt.

Stampfer ist mit Leib und Seele Lehrer und bei seinen Schülern immens beliebt, was bei den damaligen Erziehungsmethoden als eine absolute Besonderheit gelten darf. Da er die Vorlesungen in lateinischer Sprache halten muss, gibt er eigene Schriften in deutscher Sprache heraus. Seine sechsstelligen Logarithmentafeln sind bald jedem Schüler in der Monarchie ein Begriff und werden als Lernbehelfe noch bis in das 20. Jahrhundert hinein Auflagen erleben. 1819 wurde Stampfer zum öffentlichen ordentlichen Professor der reinen Elementar-Mathematik am Lyceum ernannt.

Im Turm des Schlosses Mirabell richtet er ein astronomisches Observatorium ein, „obwohl hier in Salzburg gar niemand weder Begriff noch Sinn dafür hat“, kann seine Kenntnisse der Geodäsie bei der Neuvermessung der Grenze zwischen Salzburg, das 1815 zu Österreich gekommen war, und Bayern erproben und wird, als der Lehrstuhl für Praktische Geometrie am Wiener Polytechnischen Institut frei wurde, 1825 Nachfolger Franz Joseph Gerstners. Hier wird nicht nur praktische Wissenschaft gelehrt, sondern, wie Doppler später schreiben sollte, „die wissenschaftliche Praxis“. Und deshalb hatte Direktor Prechtl ja auch Stampfer in die Kaiserstadt geholt.

Stampfer wird seine wissenschaftliche Praxis auf dem Gebiet der Geodäsie in den 23 Jahren seiner Tätigkeit zu einem Lehrgebäude ausbauen, das weit über die österreichischen Grenzen hinaus, auch wenn es nie seinen Namen trägt, verbindlich bleiben wird. Stampfer wird kein neues physikalisches Prinzip entdecken, wie sein Schüler Christian Doppler, aber viele Verbesserungen für Messgeräte. Als einer der ersten erkennt er die Notwendigkeit, dem optischen Gewerbe die wissenschaftliche Grundlage zu geben. Er wird Berater der Wiener Optiker, wie Plössl und Voigtländer, entwickelt das dialytische Fernrohr, ja er kann erreichen, dass Österreich wegen des Glasbezugs nicht mehr auf das Ausland angewiesen ist und in Wien 1844 die erste Hütte für optisches Glas errichtet wird.

Das zufällige Zusammenfallen der Beginn der Tätigkeit Stampfers und des Todes Joseph von Fraunhofers im Jahr 1826 wurde das äußere Zeichen für die Nachfolge Fraunhofers; denn was für die deutsche Optik Fraunhofer gewesen war, wurde Simon Stampfer jetzt für die Optik in Österreich.

Auch das private Schicksal Stampfers hat Ähnlichkeit mit dem Fraunhofers. Als Fraunhofer vierzehn Jahre alt war, stürzte das Gebäude ein, in dem er arbeitete und verletzte ihn unter den Trümmern. Auch Stampfer hatte als Kind durch ein fallendes Holzstück einen Schlag auf den Kopf erlitten und lebenslang darunter gelitten, so dass er mit 58 Jahren, als sein rechter Arm völlig gelähmt war, noch mit der linken Hand zu schreiben begann. Die Leistungen beider Wissenschaftler sind nachprüfbar, aber ihre Bedeutung als technische und rechnende Optiker, von der der Bereich „Feinmechanik und Optik“ heute noch zehrt, ist wegen der Geheimniskrämerei der Industrie damals wie heute schwer zu belegen. Es gibt kaum ein optisches Instrument, das ohne die Mithilfe beider entstanden oder verbessert worden wäre. Auf alle Entwicklungen der modernen Optik haben sie beide eingewirkt.

In der mechanischen Werkstätte des k.k. polytechnischen Institutes findet er einen kongenialen Partner, den Mechaniker Christoph Starke, mit dem er eine ganze Generation neuer Instrumente für die Messtechnik und Astronomie entwickelt. An der Korrespondenz mit den Direktoren der Sternwarte der Benediktinerabtei Kremsmünster, Schwarzenbrunner und Marian Koller, dem wohl besten Freund Stampfers, der ab 1849 im Ministerium für Cultus und Unterricht in Wien tätig war, und bei dem Stampfer 17 Jahre lang jeden Sonntag Mittag verbracht hatte, lässt sich sein Beitrag am besten darstellen. Er verbessert die alten Geräte, kümmert sich um die neuen Bestellungen und macht dabei Erfindungen, welche die Astronomie bedeutend bereichern. Die Werkstätte wird nicht allein Prototypen fertigen, sondern Großserien von Geräten und damit weltweiten Ruf erlangen.

1833 erfindet er die stroboskopischen Scheiben und lässt sie noch im gleichen Jahr unter der Bezeichnung „Zauberscheiben“ in den Handel bringen. Damit löste er einen so großen Stroboskop-Rummel aus, dass die Auflage innerhalb von vier Wochen „vergriffen“ war. Aber es ging ihm nicht um das Geschäft. Für ihn war das Stroboskop eine Aufgabe der Forschung. Er untersuchte seine Phänomene und schuf dadurch erst die wissenschaftlichen Grundlagen für die Kinematographie.

Von grösster Bedeutung aber wurde sein Nivellier-Instrument, für das Stampfer 1836 ein Patent erhielt. Noch zu seinen Lebzeiten wurden über 3.000 Stück Nivelliere erzeugt und in alle Welt verkauft.

Einen Höhepunkt seiner Laufbahn bildet die Gründung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften im Jahr 1847, zu deren Mitgliedern er zählte. Trotz seiner Emeritierung 1848, hielt er noch zwei Jahre lang Vorlesungen und leitete dazu das Institut bis 1851, da sein Nachfolger Christian Doppler auf den ersten Lehrstuhl für Physik der Universität Wien berufen wurde.

Danach, praktisch taub und am rechten Arm gelähmt, ging er nur mehr selten aus seiner Wohnung in der Taubstummengasse. Sein Sohn, Anton, war kurz nach seiner Ernennung zum Professor für Praktische Geometrie 1850 an Lungentuberkulose gestorben. Weitere schwere Schicksalsschläge blieben dem Lehrer Dopplers nicht erspart. Drei Monate später starb seine jüngere Tochter, Barbara Maria, ebenfalls an Lungentuberkulose. Stampfers Frau sollte den Tod der beiden Kinder nicht lange überleben. Sie starb im Dezember 1856. Simon Stampfers älteste Tochter Louise heiratete 1853 Joseph Philipp Herr. Nur mit diesen beiden Eheleuten und einigen wenigen Freunden, wie seinen ehemaligen Mechanikern, Vater und Sohn Starke, wie Pater Marian Koller und Professor Kreil pflegte Stampfer noch Umgang. Aber was war das doch für ein illustrer Kreis! Als Stampfer 1866 starb, war das industrielle Zeitalter im polytechnischen Institut und die „kurze Blüte der Optik“ in Wien beendet. 1894 wurde die „Stampfergasse“ in Wien-Hietzing nach ihm benannt.

Simon Stampfer und Christian Doppler

Simon Stampfer, der neben seiner Anstellung als Supplent am Lyzeum 1816 eine zweite Beschäftigung der gleichen Art am Gymnasium für Mathematik, Naturgeschichte, Physik und lateinische sowie griechische Sprache erhält, rät Johann Doppler zu einer höheren Ausbildung seines Sohnes Christian. In diesen Fächern wird Christian von Stampfer am Gymnasium unterrichtet.

Stampfer gibt über den Lehrstoff hinaus Anregungen und Ideen, bemüht sich, sein Wissen verständlich zu vermitteln und den Unterricht unterhaltsam zu gestalten. Er weiß seine Schüler durch praktische Vorführungen der technischen Apparaturen aus dem „physikalischen Cabinet“ zu begeistern. Sogar in den Ferienzeiten macht er Exkursionen mit seinen Schülern in die Umgebungen Salzburgs, insbesondere auf den Untersberg, Gaisberg und Watzmann – “Es waren dies Feste für die Schüler, an welchen theilnehmen zu dürfen als Ehre und Auszeichnung galt; dabei fehlte es auch nie an Stoff zur Belehrung, den barometrische und andere Messungen darboten”, schreibt sein späterer Schwiegersohn Professor Josef Herr.

Im dem Jahr, als Christian in das Gymnasium eintrat, muß Stampfer auch die Genehmigung erhalten haben, im Turm des Schlosses Mirabell eine Sternwarte einrichten zu dürfen. Der Turm hatte bereits im Jahr 1806 als Vermessungsfestpunkt Bedeutung erlangt. Jetzt diente er Stampfer als astronomisches Labor. Wir dürfen annehmen, dass Christian mit ihm durch eine Klappe in der Kuppel auf den Nachthimmel spähte. Mit dem Fernrohr stellte Stampfer regelmäßig astronomische Beobachtungen an und berechnete Kometenbahnen.

Mit großer handwerklicher Geschicklichkeit fertigte er Barometer, Thermometer und Distanzmesser selbst an und ließ seinen Schüler dabei zusehen. Dieses Zimmer diente Stampfer als Labor bis zum 30. April 1818, als der Stadtbrand den größten Teil der rechtsufrigen Altstadt, und mit ihm den Turm einäscherte. Glücklicherweise konnte Stampfer alle Instrumente und Aufzeichnungen über die Vermessungsarbeiten retten, die er bei den Vermessungen der Grenze zwischen Salzburg und Bayern angelegt hatte.

Als Stampfer 1819 Professor der Elementar-Mathematik am Lyzeum wird, sucht er um Enthebung seiner Lehrpflicht ab 1820/21 am Gymnasium an. Es ist mehr als ein Zufall, dass auch Doppler 1820/21 die 4. Klasse der Deutschen Normalschule in Linz besucht, der damaligen Kreishauptstadt, die etwa der 4. Klasse Unterstufe einer heutigen AHS entsprochen haben mochte. Die Schule befand sich in der Hofgasse 23, in die auch Anton Bruckner und Rainer Maria Rilke gegangen sind. Eine Gedenktafel wurde 2003 angebracht.

Nach seinem Abschluß übersiedelte Doppler 1821 auf Empfehlung Stampfers nach Wien, wo er die Studien der Mathematik, Physik und Geometrie am Polytechnischen Institut, der heutigen Technischen Universität, aufnahm. Josef Hantschl (1769 – 2.6.1826), Professor für reine und höhere Mathematik, verstand es, die Ergebnisse der Mathematik nutzbringend für das Leben zu machen. Der Studienerfolg war durchwegs gut. Sein vorbildliches Verhalten, sein Fleiß und seine Studienfortschritte wurden besonders herausgestrichen. Schon in seiner Salzburger Schulzeit soll Doppler von Stampfer eine Medaille mit der Inschrift ‚WERDE NÜTZLICH‘ als Prämie für gute schulische Leistungen erhalten haben.

Nach seinen Prüfungen bewarb sich Doppler um eine Assistentenstelle bei Hantschl. Doch Hantschl fand, dass Doppler, trotz bester Zeugnisse noch nicht voll in der Mathematik ausgebildet sei. So entschied sich Doppler nach Salzburg zurückkehren, um am Lyceum die Matura nachzuholen.

Inzwischen konnte Stampfer, der hatte einsehen müssen, dass für ihn in Salzburg kein wissenschaftliches Weiterkommen sei – das Lyzeum war zu einem Lyceum „zweiten Grades“ degradiert worden – den Konkurs gegen zahlreiche Konkurrenten in Wien gewinnen und 1815 Professor an einer der hervorragendsten Hochschulen Europas werden.

1832 tagte die Gesellschaft deutscher Ärzte und Naturforscher erstmals in Wien. Doppler wird daran als Gast an der Sitzung teilnehmen, an der Stampfer ein neues Instrument, das Optometer, vorstellt. Es ist bis heute zur Messung der Brechkraft und der Akkomodationsbreite des Auges, also zur Bestimmung der für das Auge notwendigen Brille, fast unverändert in Verwendung.

Am 24.2.1849 kommt Doppler als Nachfolger von seinem Lehrer Stampfer nach Wien. Assistent bei ihm wird der hochbegabte Sohn Stampfers, Anton (1825-1850) – ganzer Stolz seines Vaters und von Doppler dazu ausersehen, als sein Nachfolger weiterzuwirken, als er erster Direktor des neu errichteten Physikalischen Institutes der Universität wird. Doch Anton stirbt noch 1850. So wird Stampfer, der erste Lehrer Dopplers, die Vorlesungen seines Schülers Doppler noch zwei Jahre weiterführen, unterstützt von seinem Assistenten Joseph Philipp Herr (1819-1884), seinem späteren Schwiegersohn, der 1866 zum ersten Rektor des polytechnischen Institutes gewählt werden wird.

Dr. Peter Maria Schuster, 2017