Josef Maximilian Petzval (6.1.1807 Spišská Belá, dt. Zipser Bela, ung. Szepesbéla-19.9.1891 Wien)

Petzvals Vater war ein Original, nicht nur als Lehrer und Komponist – noch heute werden von ihm komponierte Messen aufgeführt –, sondern auch ein geschickter Mechaniker, was ihm den Beinamen eines Zauberers einbrachte. Der Zufall wollte es, dass von zwei weiteren Söhnen der eine ebenfalls, so wie sein Sohn Josef, an einem 6. Jänner geboren wurde – sein dritter Sohn wurde an einem 7. Jänner geboren. Dieser Umstand brachte ihnen die scherzhafte Bezeichnung: Die Heiligen Drei Könige.

An der Universität Pest erhielt Josef Petzval 1828 das Ingenieurdiplom, worauf er besonders stolz war. 1830 retteten seine Dammberechnungen Pest vor einer Überschwemmung durch Donauhochwasser. Noch als Professor zog er den Titel „Diplomierter Ingenieur“ allen anderen Titeln vor, selbst seinem Doktorat, das er 1832 erwarb. Ab 1835 Prof. der höheren Mathematik an der Univ. Pest, ab 1837 bis 1877 Professor für Mathematik und Mechanik in Wien.

Josef Petzval erwarb sich große Verdienste um die Weiterentwicklung der photographischen Optik. 1839-57 berechnete er zwei Typen von Objektiven, für Porträtphotographien, das die Lichtstärke des von Daguerre verwendeten um das 16fache übertraf, und Landschaftsaufnahmen, die auch hinsichtlich des Auflösungsvermögens einen entscheidenden Fortschritt darstellten und Weltruhm erlangten. Für die praktische Ausführung arbeitete er zunächst mit F. v. Voigtländer zusammen, mit dem es bald zu Differenzen und 1845 zum endgültigen Bruch kam, dem noch 1857/58 Rechtsstreitigkeiten folgten. Dies war dafür entscheidend, dass Voigtländer seine Produktion, als er bereits über 100 Arbeiter und das 20.000ste Porträt-Objektiv ausgeliefert hatte, 1868 nach Deutschland verlegte.

Petzval hielt als Mathematiker ungewöhnliche Vorlesungen, so über die Theorie der Tonsysteme, entwickelte ein 31-stufiges Tonsystem, für das er ein Klavier konstruierte, um die Richtigkeit dieses Systems zu beweisen, dazu ein Saiteninstrument, das er Guitharve nannte. Seine akustischen Vorlesungen pflegte er mit dem Ausspruch einzuleiten: Die Mathematik ist die Musik des Verstandes, die Musik die Mathematik des Gefühls. Er las über die Theorie des Schwertschlages – er behauptete, der österreichische Kavalleriesäbel sei nicht richtig konstruiert – und über die Theorie des Pferdeganges. Im Sommer pflegte er auf einem echt arabischen Rappen von seiner Wohnung am Kahlenberg, ein von Josef II. aufgehobenes Kamaldulenserkloster, zu seinen Vorlesungen in die Stadt zu reiten, spaltete täglich neben dem Haus ein gewisses Quantum Holz, führte Leibesübungen durch, denen die Wiener völlig verständnislos gegenüberstanden, und galt in Wien als der beste und gefürchteste Säbel- und Rapierfechter.

Die wichtigsten seiner Manuskripte, die dioptrische Gegenstände betrafen, gingen bei einem Einbruchsdiebstahl in seiner Wohnung verloren. Petzval hat der Verlust so schwer getroffen, dass er sich danach von jeder Gesellschaft zurückzog. Er konnte sich nicht mehr entschließen, die Papiere wieder zu ergänzen. Im Alter von 62 Jahren heiratet Petzval, aber seine Frau starb bereits vier Jahre später. Die Akademie, der er ab 1849 als wirkliches Mitglied angehörte, blieb der einzige Ort, wo er sich im Alter noch sehen ließ. Ihr blieb er treu, so wie diese ihm treu geblieben war in all den vielen Kontroversen, die er – nicht zuletzt wegen seines kritischen, streitsüchtigen, sarkastischen Wesens – auszufechten hatte. 1877 in den Ruhestand versetzt, mit dem Titel eines Hofrates, verließ er kaum noch seine Wohnung, wollte auch nicht, dass ihn Freunde besuchen und wurde mitten in Wien zum Einsiedler.

Josef Petzval und Christian Doppler

Bis zur Ernennung Dopplers 1850 zum Direktor des Physikalischen Instituts der Universität war keinerlei Kritik an seiner Theorie aus Wien angemeldet worden – das Hauptwerk war nicht einmal zur Kenntnis genommen worden.

Zehn Jahre nach seiner Entdeckung 1842, begann nun in Wien die heftige Polemik über die Gültigkeit des Prinzipes. Der Streit wurde von Josef Petzval begonnen, der aber, wie er in der Sitzung am 21.10.1852 selbst bekennt, nur der auserwählte Exponent einer großen Reihe von Wissenschaftlern ist. Die erste Attacke Petzvals am 22.1.1852 hebt an mit den Worten:
Man kann sagen, daß es eine große und kleine Wissenschaft gebe, so wie es einen großen und kleinen Krieg gibt.

Spöttisch zählt Petzval Dopplers Prinzip zur zweiten Kategorie, zur kleinen Physik, worauf Doppler in der Sitzung am 21. Mai antwortet:

Newton. Leibniz, Euler, Laplace, Poisson und wie die Männer unsterblichen Namens alle heissen, welche wir als unsere Meister und Lehrer zu betrachten gewohnt sind, haben einen solchen Unterschied niemals gemacht! – Ihnen galt vielmehr, unberührt von wissenschaftlichem Hochmuthe, jede neue Wahrheit für gleich beachtenswerth und gleich anerkennungswürdig.

Petzval warnt in diesem ersten Referat, man könne ohne Verständnis von Differentialgleichungen unmöglich in die große Wissenschaft eintreten:

Der übrige Theil des menschlichen Geschlechtes aber muss abermals mit Analogien, dem gewöhnlichen Leben entnommen und von der kleinen Wissenschaft aufgefunden, abgespeist werden; erfindungslustige Parteigänger ermangeln dann wieder nicht, diese Analogie über die Grenzen ihrer Gültigkeit auszudehnen: so droht die alte Herrschaft des Irrthums von Neuem hereinzubrechen in veränderter Gestalt, wenn nicht die Geister der Differentialgleichungen sich unser annehmen und uns davon befreien.

Doppler antwortet in seinem Vortrag:
Meint der Herr Gegner, daß eine Naturerscheinung, die die Berechtigung zu ihrem Dasein nicht aus diesen Gleichungen erweisen kann, für die Wissenschaft gar nicht vorhanden angesehen werden muß?

Doppler verteidigt sich in diesem Streit sachgemäß und richtig, seine Stellungnahmen können, wie auch bereits von anderen vermerkt wurde, als Vorbild einer wissenschaftlichen Kontroverse angesehen werden. Zum eigentlichen Eklat kam es in der zweiten Auseinandersetzung, in der Sitzung am 21. Mai 1852, bei der nicht nur der Präsident der Akademie, „seine Excellenz“ Ritter von Baumgartner, sondern neben 24 wirklichen und vier korrespondierenden Mitgliedern auch 33 Gäste zugegen sind, insgesamt 62 Zuhörer. Es war eine ungewöhnliche Maßnahme, zur Bewertung des Falles eine derart hochrangige Sonderkommission einzusetzen. In einer Art Schauverfahren kamen die beiden Konrahenten mit je einem Vortrag zu Wort. Petzval versucht eingangs seine Vorgehensweise vom Jänner zu rechtfertigen:

Glauben Sie darum nicht, dass ich mich entschliessen könnte, eine Reihe mehr oder weniger nützlich gewordene Anschauungsweisen der populären Wissenschaft nur darum anzugreifen, um den Wert meiner eigenen Analysis zu heben, ich besitze hinzu einen anderen, viel wichtigeren Grund: ich bin nämlich durchdrungen von der Überzeugung, dass man kaum etwas Verdienstlichere thun könne, als das masslose Bestreben zu Popularisieren, das der populären Wissenschaft anhängt, in die gebührenden Grenzen zurückzuweisen, weil die Geschichte der Wissenschaft gelehrt hat, dass es den Fortschritten derselben keineswegs förderlich sei, vielmehr, unmittelbar sowohl als auch mittelbar, Schaden bringe.

Dann bringt Petzval seine Einwände in einer Anti-Doppler-Formel auf den Punkt:
Wenn der tönende Körper im ruhenden Zustand etwa den Ton A schwingt, so wird er, in Bewegung gesetzt, nicht nur fortfahren A zu tönen, sondern er wird auch an das umgebende Mittel denselben Ton A und keinen anderen abgeben.

Die Entscheidung im Wiener Rededuell fiel in der dritten Runde am 21. Oktober 1852. Und zwar nicht Kraft der besseren Argumente, sondern von Seiten höherer Gewalt: der Krankheit Dopplers. Petzval war nicht vornehm genug, um in seinem dritten Vortrag – eine Woche vor der Abreise des schwerkranken Dopplers in den Süden, was in der Öffentlichkeit als Niederlage gewertet wurde – das Prinzip weiterhin lächerlich zu machen:

Von Dopplers Theorie kann man nicht eben sagen, sie habe keinen Wert, weil sie den Vorgang einer Erscheinung entschieden unrichtig angibt, es muss vielmehr behauptet werden, ihr Werth sei ein negativer, weil sie so viele Anhänger der Wissenschaft zum Irrthum verleitet hat, durch eine anscheinende Einfachheit und Klarheit, die aber weiter nichts ist als Oberflächlichkeit und Mangel an Tiefe.

Petzval betrachtet die Theorie Dopplers, wie bereits gesagt, als abgethan, als erwiesenermaßen irrig. Und obwohl das Prinzip zu diesem Zeitpunkt mehrmals akustisch experimentell bestätigt worden war, schloss sich die Mehrheit in der Akademie dem vernichtenden Urteil Petzvals an. Erst Ernst Mach konnte die Kontroverse in Arbeiten von 1860 und 1861 auf einleuchtende Weise lösen:

Das Prinzip der Erhaltung der Schwingungsdauer (Petzval) sagt aus, daß bei einer permanenten Strömung in einem Medium, wenn irgendwo Schwingungen erregt werden, an jedem beliebigen aber mit der Zeit unveränderlichen Orte, die Schwingungsdauer dieselbe, also durchgängig konstant sei. – Dopplers Satz lehrt die Abhängigkeit der Schwingungsdauer von der relativen Geschwindigkeit der Wellenquelle und des Beobachters. Beide Sätze beziehen sich also auf verschiedene Fälle……Die Anwendung des Petzval‘schen Princips auf den Doppler‘schen Fall beruht auf einem Mißverständnis. Petzval meint in seiner mathematischen Deduction die relative Bewegung von Wellenquelle und Beobachter durch eine Strömung des Mediums ersetzen zu können, was aber unstatthaft ist.

Populär könnte man das Verhältnis beider Gesetze, des Petzval‘schen und Doppler‘schen so veranschaulichen. Wenn man Prof. Petzval, etwa für die Erfindung seines Principes, ein Ständchen brächte, so würde dieses selbst bei weniger gemüthlichem Wetter in derselben Tonart, ebenso harmonisch und melodisch zu seinen Fenstern hinauftönen, wie am schönsten Maimorgen. Dagegen könnte man nach Doppler, von der Höhe herabfallend einen Chor aus E-Dur ganz wohl in F-Dur hören.

Trotz dieser Klärung durch Mach, die die Einwände Petzvals widerlegte, und mehrerer experimenteller Bestätigungen, wurde das Prinzip noch weitere 20 Jahre angefeindet.

Es ist ein eigenartiger Zufall, dass am 6. November 1901 an der Universität Wien die Petzvalfeier stattfand, an der gleichzeitig mit seinem Denkmal auch jenes von Christian Doppler, den er zu seinen Lebzeiten so heftig bekämpft hatte, im Arkadenhof der Universität, mit je einer Festrede für Petzval und für Doppler, enthüllt wurde.

Dr. Peter Maria Schuster, 2017